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„Personzentrierte Beratung mit Menschen mit Entwicklungsbesonderheiten, ihren Familien  und ihren Assistenten/Assistentinnen“

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Interview zur Weiterbildung:

„Personzentrierte Beratung mit Menschen mit Entwicklungsbesonderheiten, ihren Familien  und ihren Assistenten/Assistentinnen“

 

Ab September 2024 wird es einen neuen Weiterbildungsgang an der GwG geben.

Kursleitung sind Dr. Gisela Erdin und Maren Krause.

  • Die Frage, wie Inklusion in unserer Gesellschaft gelingen kann, ist ein großer Teil der öffentlichen Diskussion. Inwiefern soll Eure Weiterbildung „Personzentrierte Beratung mit Menschen mit Entwicklungsbesonderheiten, ihren Familien und ihren Assistent*innen“ dazu einen Beitrag leisten?

Maren: Mit der UN- Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland gilt, wurde die rechtliche Situation von Menschen mit Unterstützungsbedarf gestärkt. Inklusion ist der Begriff, der dies beschreibt und Inklusion baut auf der selbstbestimmten Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen auf. Dieses Recht zu haben ist ein wichtiger Fortschritt. Trotzdem, das Recht allein genügt nicht. Es braucht Menschen, die kompetent beraten und Assistenz geben, damit dieses Recht auch in die Realität umgesetzt werden kann.

  • Was war Anlass oder Auslöser für Euch, Euch dem Thema in Form einer Weiterbildung zu widmen?

Gisela: Ich arbeite schon mehr als 40 Jahre mit Menschen mit Entwicklungsbesonderheiten, ihren Familien und ihren Assistenten/Assistentinnen. Es gibt viel gutes Bemühen in diesem Bereich, aber auch viele Überforderungen. Überforderungen führen in der Regel dazu, dass Menschen separiert werden und ihre Selbstbestimmung außer Kraft gesetzt wird. Ich habe bei mir selbst erlebt, dass die doppelte Ausbildung, die ich habe - ich bin Heilpädagogin und habe eine Weiterbildung in der personzentrierten Beratung bei der GwG - mir geholfen hat schwierige Situationen aufzulösen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass der Personzentrierte Ansatz eine große Hilfe ist zu Menschen, die schwer erreichbar sind und die man heute mit dem Namen „Systemsprenger“ oder mit Diagnosen belegt, Kontakt aufzubauen. Die Beziehung und der Aufbau eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, ist immer die Grundlage, um eine Verbesserung für Menschen mit einem besonderen Verhalten und ihren Mitmenschen zu erreichen. Es ist die Voraussetzung für ein mehr an Teilhabe und ein mehr an Selbstbestimmung. Man benötigt aber auch Wissen aus der Heilpädagogik, der Psychologie und aus den Entwicklungstheorien, um besondere Verhaltensweisen zu verstehen und die dahinter verborgenen berechtigten Bedürfnisse wahrzunehmen.

 

Maren: In meiner logopädischen Tätigkeit erlebe ich seit 27 Jahren die erstaunliche Persönlichkeitsentwicklung von Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung, wenn sie in die Lage versetzt werden sich verbal oder nonverbal mitzuteilen: Sie werden fröhlicher, entspannter und initiieren aktiv positive Kontakte. Ihre Bedürfnisse werden so besser erfasst und mehr beachtet und das bedeutet eine starke Verbesserung ihrer Lebensqualität. Betreuende stehen der reduzierten Mitteilungsfähigkeit der Klient:innen  aber oft hilflos gegenüber: Eine Wahrnehmungsschulung für die Kommunikationssignale der Klient:innen und deren Bedeutung ist ein erster Schritt zu einem echten Miteinander. Ich möchte so der Fremdbestimmung und dem Machtgefälle, der diese Menschen vielfach im täglichen Leben ausgesetzt sind entgegen wirken. Meine Motivation ist es, allen Beteiligten eine konstruktive Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Als personzentrierte Kinder- und Jugendlichentherapeutin sehe ich im Personzentrierten Ansatz einen hilfreichen Weg dahin.

  • An wen richtet sich Euer Bildungsgang und was sind konkrete Inhalte?

Gisela: Der Bildungsgang richtet sich an Menschen, die bereits eine berufliche Ausbildung in einem pädagogischen, heilpädagogischen, therapeutischen Beruf oder in der Sozialen Arbeit haben. Er vermittelt Beratungskompetenzen für Einzelberatung, aber auch für ein Beratungssetting in komplexen Situationen. Es sind z.B. die Moderation von Konflikten zwischen Menschen mit besonderem Verhalten und Eltern, Lehrern, Assistenten und Institutionen. Unser Bildungsgang baut auf der psychosozialen Beratung auf, die Menschen in ihrer emotionalen Selbstregulation unterstützt und vermittelt auch Wissen wie störende Verhaltensweisen verstehbar werden. Dies ist ein zentrales Anliegen von uns. Statt ein Verhalten wegzutrainieren soll es verstanden werden. Das öffnet Türen mit den ratsuchenden Menschen einen Weg zu gehen, auf dem sie ihre Selbstbestimmung und Kontrolle über ihr Leben gewinnen. Klienten in ihrer Gesamtsituation zu verstehen und aus diesem heraus wertschätzend zu beraten ist der Kern unserer Weiterbildung. Das bedeutet auch die Konfrontation des/der Berater:in mit den eigenen Persönlichkeitsanteilen. Diese Erfahrung bietet den Teilnehmenden die Chance sich selbst weiterzuentwickeln.

  • In welchen Szenarien können Kompetenzen aus Eurer Weiterbildung (zum Beispiel) hilfreich sein?

Maren: Da wir die Teilnehmenden für Klienten aller Altersgruppen ausbilden, gibt es eine Vielfalt von Situationen, für die die Kompetenzen in unserer Weiterbildung erworben werden. Beispielsweise kommt es heute immer wieder vor, dass Kinder mit Inklusionsbedarf aus Regelschulen ausgeschlossen werden und Eltern und Lehrer sich gegenseitig Vorwürfe machen; oder eine Frau mit einer komplexen Behinderung soll der Wohnplatz gekündigt werden, weil die Assistenten sich überfordert fühlen; oder ein Team in einer pädagogischen Einrichtung kann sich über die pädagogischen Methoden, die es anwenden will, nicht einigen. Hierfür vermitteln wir die Kompetenz diese Konflikte zu moderieren oder eine Fallbesprechung zu leiten und Teamprozesse zu fördern, damit die Beteiligten wieder mehr gegenseitiges Verständnis erlangen können. Die Teilnehmer:innen sollen auch lernen dem Druck der Institutionen etwas entgegensetzen zu können im Sinne der Klienten, sodass diese selbstbestimmt leben können anstatt sich an strukturelle Vorgaben anpassen zu müssen. Es wird auch die Kompetenz gefördert gruppendynamische Prozesse zu verstehen und damit umzugehen, denn pädagogische Begleitungen erfolgen oft in Gruppen. Die Teilnehmenden lernen Beratung mit einer Gruppe von Menschen durchzuführen, die an einem bestimmten Lebensthema interessiert sind und sie dabei anzuleiten den Austausch untereinander zu pflegen. Themen können sein: Partnerwunsch, selbständig wohnen, Gespräche führen und vieles mehr und immer geht es auch um das subjektive Erleben der Beteiligten. Es sind also komplexe Beratungsprozesse.

  • Was ist Euch besonders wichtig?

Gisela: Wir sind überzeugt, dass auch Menschen mit sehr komplexen Störungen in ihrer Selbstbestimmung unterstützt werden. Dabei wollen wir auf folgende Facetten der Bedingungen von Rogers aufmerksam machen:

  • Um Menschen mit besonderem Verhalten empathisch zu verstehen, bedarf es sehr viel Hintergrundwissen. Dieses Wissen ist nicht da um Menschen zu bewerten, sondern um sie in ihrer Besonderheit besser verstehen zu können.
  • Um echten Kontakt herzustellen, muss man als Berater:in (Assistent:in) den Mut haben als Mensch und nicht nur als Funktionsträger in Beziehung zu treten und wirkliches Interesse an seinem Klienten entwickeln. Gleichzeitig darf man nicht in ein freundschaftliches Verhältnis rutschen und das hat viel mit Selbsterfahrung und eigenen Übungsprozessen zu tun. Dies ist äußerst wichtig, damit die in einem Abhängigkeitsverhältnis lebenden Klienten ihre Freiheit, ihre Selbstbestimmung nicht verlieren. Dies ist gerade dann von höchster Bedeutung, wenn Kontrollverluste und Ohnmachtserlebnisse im Alltag zu starken Belastungen führen.
  • All dies kann nur gelingen, wenn wir den Kontakt und die Anerkennung der Person nicht an Vorbedingungen knüpfen, wie z.B. an sogenanntes Wohlverhalten. Und das hinterfragt unser eigenes Wertesystem.