Wie entsteht Sprache und Kommunikation? Warum bleibt sie manchmal aus oder ensteht nur rudimentär?
1. Was ist Sprache?
1.1 Sprache ist nicht eindeutig.
„Das Leben kommt auf alle Fälle,
Aus einer Zelle.
Und manchmal endet‘s auch bei Strolchen,
In einer solchen.“
(Heinz Erhardt, 1970, 274)
1.2 Sprache verändert sich.
Sprache ist in ständiger Veränderung begriffen, darum müssen wir das Deutsche aus dem 12. Jahrhundert als eine Fremdsprache erlernen.
1.3 Sprache ist kreativ.
„Ich werde jetzt einen wichtigen Gesichtspunkt erörtern. Er besagt, dass das Kind oder der Erwachsene beim Spielen (und vielleicht nur beim Spielen) frei ist, um schöpferisch zu sein“ (Winnicott, 2015, 65). Kinder, die nicht ins Symbolspiel finden, haben es oft schwer, die Sprache zu entdecken.
2. Wie wird Sprache erworben?
2.1 Wenn wir wollen, dass das Kind sprechen lernt, müssen wir mit ihm sprechen.
Folgende Tischsituation habe ich immer wieder erlebt, das Kind setzt sich an Tisch und nimmt sich ein Brot und wenn der Betreuer wegschaut, streicht es noch ganz dick Nutella darauf. Der Erzieher/die Erzieherin nimmt ihm alles wieder weg und sagt zu ihm: „sag: bitte Brot und bitte Nutella!“ Das Kind schreit und weint. Oder das Kind sitzt da und schreit nur und der Erzieher sagt: „Sag‚ bitte Brot‘ und Du bekommst Dein Brot.“
Was ist das? Das ist ein Machtkampf und kein Gespräch. Es ist auch keine Unterstützung im Spracherwerb. Kinder, die so sprechen lernen, hätten auch ohne diese Erziehungsmethoden (bzw. ohne diesen Machtkampf) sprechen gelernt.
Sprechen lernt man nur durch das Gespräch, durch das Miteinander-Sprechen.
2.2 Der „Monodialog“ unterstützt den Spracherwerb
Das Kind schreit.
2.2 Sprechen ist soziale Praxis
Das Sprechen ist in einen Kontext eingebunden. Was gemeinsam besprochen wurde, wird umgesetzt. Die innere Haltung ist: Ich will das Kind verstehen und ich gebe ihm meine Gefühle und Gedanken zu verstehen. Wichtige Elemente der Sprache sind:
Zeigen, mit der Hand, mit dem Blick.
Gefühle, Emotionen und Affekte – und zwar die vom Kind und meine eigenen – müssen wahrgenommen werden. Diese sind oft verschieden und das ist legitim. Das Kind muss nicht das Gleiche wie ich denken und fühlen. Z.B. kann es sein, dass ich am Sonntag gerne in aller Ruhe esse und dass jede Beschleunigung für mich Stress bedeutet, aber das Kind nicht gerne wartet bis es sein Nutella-Brot bekommt. Oder es ist umgekehrt: Ich habe es eilig und das Kind hat es nicht eilig, weil es gar keine Lust hat, in die Schule zu gehen. Das Kind ist dann nicht ungezogen, sondern es hat andere Gefühle als ich (und andere der Schule gegenüber, als ich mir wünsche).
Die Versprachlichung bedeutet, dass Gefühle in Begrifflichkeiten umgesetzt werden und sie dadurch gedanklich werden.
Miteinander sprechen, verhandeln ist das Gegenteil eines Machtkampfes. Die Verstrickung in einen Machtkampf lässt den Menschen, der besiegt wurde, verstummen und das ist keine Unterstützung der Sprachentwicklung.
Literatur
Winnicott, Donald Woods (2015): Vom Spiel zur Kreativität. Stuttgart: Klett-Cotta. 14. Auflage. Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: Playing and Reality, 1971.
Wygotski, Lew Semjonowitsch (1964): Denken und Sprechen. Stuttgart: Fischer. Originalausgabe 1934.
Zimmer, E. Dieter (2008): So Kommt der Mensch zur Sprache. München: Wilhelm Heyne Verlag.
Zollinger, Barbara (2010): Die Entdeckung der Sprache. Entwicklungsprozesse, Störungen, Untersuchung, Beurteilung. Stuttgart: Thieme.
Gisela Erdin, 17. - 19.2.2017